☠️ Gyromitrine — Ein gefährliches Pilzgift mit tückischer Wirkung
- Raphael Poupart
- 24. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Okt.
Kurzbeschreibung: Gyromitrine ist ein natürliches Gift, das in bestimmten Frühjahrslorcheln vorkommt. Es gehört zu den gefährlichsten Pilzgiften in Europa und Nordamerika und kann bei falscher Zubereitung oder Verzehr schwerwiegende, sogar tödliche Vergiftungen hervorrufen. Dieser Beitrag erklärt, was Gyromitrine ist, in welchen Pilzen es vorkommt, wie es wirkt, welche Symptome auftreten, wie man eine Vergiftung behandelt und wie man sich schützen kann.
1. Einführung
Gyromitrine ist ein Giftstoff, der vor allem in Frühjahrslorcheln (Gyromitra esculenta) vorkommt, einem Pilz, der trotz seiner Giftigkeit in manchen Regionen traditionell gegessen wird. Das Tückische: Gyromitrine ist hitzelabil und kann beim Kochen teilweise zerstört oder ausgekocht werden, jedoch nie vollständig. Dadurch entstehen gefährliche Unsicherheiten beim Verzehr.
2. Chemie & Struktur
Gyromitrine ist ein Hydrazin‑Derivat.
Es wird im Körper zu Monomethylhydrazin (MMH) umgewandelt — einer stark giftigen Substanz, die auch in der Raketentreibstoff‑Industrie eingesetzt wird.
MMH greift direkt in den Stoffwechsel ein, hemmt wichtige Enzyme und verursacht schwere Zellschäden.
3. In welchen Pilzen kommt Gyromitrine vor?
Hauptsächlich in Arten der Lorcheln (Gattung Gyromitra), insbesondere:
Frühjahrslorchel — Gyromitra esculenta
Riesenlorchel — Gyromitra gigas (Giftgehalt variabel, weniger toxisch, aber nicht unbedenklich)
Bischofsmütze — Gyromitra infula
⚠️ Wichtig: Die Giftkonzentration kann stark schwanken — abhängig von Standort, Jahreszeit und individueller Ausprägung des Pilzes.
4. Wirkmechanismus (Wirkung im Körper)
Nach Aufnahme wird Gyromitrine im Körper enzymatisch zu Monomethylhydrazin (MMH) abgebaut.
MMH hemmt das Enzym Pyridoxalphosphat‑abhängige Enzyme (z. B. bei der Synthese des Neurotransmitters GABA).
Folgen:
Störung des zentralen Nervensystems (Krämpfe, Verwirrtheit).
Zerstörung von roten Blutkörperchen (Hämolyse).
Schädigung von Leber und Nieren.
Zusätzlich kommt es zu einer Blockade des Energiestoffwechsels, was zu schwerer Schwäche und Organversagen führen kann.
5. Symptome einer Gyromitrine‑Vergiftung
Die Beschwerden treten meist 4–12 Stunden nach Verzehr auf.
Frühphase
Übelkeit
Erbrechen
Starker Durchfall
Bauchschmerzen
Spätphase
Schwindel, Kopfschmerzen
Krampfanfälle
Zittern
Gelbsucht (Leberbeteiligung)
Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen
In schweren Fällen: Koma, Atemlähmung
6. Gefährlichkeit & Letale Dosis
Gyromitrine ist hochgiftig.
Bereits 20–50 g frische Frühjahrslorcheln können bei Erwachsenen tödlich sein.
Kinder sind deutlich empfindlicher.
Todesfälle sind historisch immer wieder dokumentiert worden, insbesondere in Regionen, in denen Frühjahrslorcheln als Delikatesse gelten.
7. Diagnostik
Anamnese: Verzehr von Lorcheln (besonders Frühjahrslorchel) kurz zuvor.
Laborwerte: Erhöhte Leberwerte, Hämolyseparameter, Elektrolytstörungen.
Spezialdiagnostik: Nachweis von Gyromitrine/MMH im Blut oder Urin (nur in Speziallaboren).
8. Therapie & Behandlung
Es gibt kein spezifisches Antidot gegen Gyromitrine.
Akutmaßnahmen
Sofortige Klinikeinweisung.
Magenspülung und Aktivkohle, falls frühzeitig nach Verzehr.
Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich.
Spezifische Unterstützung
Pyridoxin (Vitamin B6): kann die GABA‑Synthese stabilisieren und gegen Krampfanfälle helfen.
Antikonvulsiva bei Krämpfen.
Überwachung der Leber‑ und Nierenfunktion.
In schweren Fällen: Intensivmedizin, Dialyse.
9. Prognose
Leichtere Vergiftungen klingen nach einigen Tagen ab, wenn frühzeitig behandelt.
Schwere Vergiftungen können tödlich verlaufen, insbesondere bei fehlender medizinischer Versorgung.
Langzeitfolgen sind möglich (z. B. Leber- oder Nierenschäden).
10. Prävention & Tipps für Pilzsammler
Nie Frühjahrslorcheln essen! Auch wenn es traditionelle Rezepte gibt, bleibt das Risiko unkalkulierbar.
Gyromitrine kann durch Trocknen und mehrfaches Abkochen reduziert werden, aber niemals sicher eliminiert.
Da die Giftmenge von Pilz zu Pilz stark schwankt, gibt es keine sichere Zubereitungsmethode.
Nur Pilze sammeln und essen, die zweifelsfrei als essbar bekannt sind.
11. Historisches & Kulturelles
In Skandinavien, Osteuropa und Teilen Deutschlands wurden Frühjahrslorcheln traditionell gegessen — oft nach vorherigem Abkochen.
In Finnland sind sie trotz Warnungen mancherorts noch als Delikatesse erhältlich.
Zahlreiche dokumentierte Todesfälle haben jedoch die Gefahr bestätigt.
12. Fazit
Gyromitrine ist ein hochgefährliches Pilzgift, das vor allem in der Frühjahrslorchel vorkommt. Es verursacht schwere Schädigungen des Nervensystems, der Leber und der Nieren und kann schon in kleinen Mengen tödlich sein. Traditionelle Zubereitungsmethoden sind kein verlässlicher Schutz. Für Pilzsammler gilt: Finger weg von Lorcheln!
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Verdacht auf Pilzvergiftung unverzüglich ärztliche Notaufnahme aufsuchen.
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